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Sayfo

Was auch gesagt werden muß

Die Erinnerungstexte von Zeitzeugen, zusammengetragen von Wissenschaftlern, belegen, wie brutal vor 100 Jahren im Osmanischen Reich Menschen von anderen Menschen umgebracht wurden, nur weil sie einem anderen Glauben anhingen, Christen waren bzw. einer anderen Ethnie angehörten, aus politischem Kalkül, auf politische Weisung, aus Gier, Hass und anderen niedrigen Beweggründen. 1915 waren Armenier, Aramäer/Assyrer/Chaldäer und Pontos-Griechen die Opfer. Diese Völker zahlten damals einen Blutzoll, von dem sie sich bis heute nicht erholt haben. Unsere Quellen belegen 1,6 Millionen Mordopfer, andere verweisen auf bis zu 2,7 Millionen Opfer. Die Täter haben nicht Buch geführt und Statistiker waren nicht willkommen. Die eine Zahl ist so unvorstellbar furchtbar wie die andere, hier wurden drei Völker in Teilen physisch vernichtet und die Überlebenden litten oft bis zum Lebensende psychisch. Viele Christen, primär Kinder und Frauen, überlebten nur, weil sie zwangsislamisiert wurden. Das bedeutete für sie ein quälendes Dasein in einer fremden Familie, oft in einer Familie der Täter. Sie wurden gedemütigt und mit Argwohn behandelt. Viele zerbrachen daran, manche starben. Wer später fliehen konnte trug oft ein lebenslanges Trauma davon. An all diese Opfer soll erinnert werden und ihnen soll unser ehrendes Gedenken gelten.

Diese Erinnerung soll aber nach 100 Jahren nicht erneut die Saat der Gewalt säen. Im Gegenteil, die Hand soll zur Versöhnung ausgestreckt werden. Die Nachfahren der Opfer und Täter leben heute zum Teil noch im angestammten Siedlungsgebiet und sie leben nebeneinander in Exilländern, in neuer Heimat, auch in Deutschland. 1915 gab es auf der Seite der zu Tätern gewordenen Völkerschaften und Clans auch Gerechte, Humanisten, die sich helfend und schützend um ihre christlichen Nachbarn und Mitmenschen kümmerten. Die Ausstellung verweist auf einige dieser Beispiele. Daran gilt es anzuknüpfen. Nicht das Trennende, das humanistisch Verbindende muss für die Zukunft der bestimmende Faktor werden. In den Jahrzehnten nach 1915 bekriegten sich die Nachfahren der Täter von einst und bis in die Gegenwart wurden Kurden, Jesiden und Mhallami zu Opfern von anderen Tätern. Auch Deutschland ist hier gefordert, die richtigen Schlussfolgerungen aus der Vergangenheit zu ziehen, waren es doch 1915 deutsche Offiziere und Diplomaten, die über den Völkermord bei ihrem osmanischen Verbündeten im Bilde waren. Aber sie haben weggesehen und sich auf die Seite des Osmanischen Reichs gestellt. Nur wenige, wie Johannes Lepsius, haben ihre Stimme in Deutschland erhoben und wurden ins Abseits gedrängt. So etwas sollte bei der Aufarbeitung des Völkermords nach 100 Jahren nicht erneut passieren.

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